20-10-16: Rechtsextremist Martin Sellner zu Gast bei Servus TV

Bei Talk im Hangar-7 sollte beim Privatsender Servus TV am 20.10. in durchaus wichtiges Thema besprochen werden: Die hohe Radikalisierungsrate sowie die Ablehnung zentraler Bürger_innenrechte unter Jugendlichen. Es ging dabei um eine bestimmte Gruppe junger Leute, nämlich um sozial schlecht gestellte Muslim_innen. Deren Einstellungen wurden un der neu erschienenen Studie Jugendliche in der offenen Jugendarbeit beforscht, einen Überblick der Ergebnisse gibt es auf derstandard.at. Zu Gast bei Moderator Michael Fleischhacker sollten vier Experten sein, um die Studie angemessen zu besprechen. Besonders in Bezug auf radikale gewaltbereite Jugendgruppen war ein Gast tatsächlich sehr kundig: Martin Sellner, der Chef-Figur und Vorzeige-Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) ist, die rassistische Hetze btreibt und auch gerne mal zuschlägt.

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Zu Recht gab es viele kritische Stimmen, welche die Einladung eines Rechtsextremen zu einer Expertenrunde mit dem Thema Islam und Integration skandalisierten. Letztlich sagten alle Gäste bis auf Sellner und Efgani Dönmez (Ex-Bundesrat Grüne) ab. Ursprünglich geladen waren noch der Autor der Studie, Kenan Güngör, Ramazan Demir (Imam) und Winfried Moser (Jugendforscher) (Quelle: derstandard.at). Ihre Begründung für die Absage: Mit einem Rassisten gibt es nicht zu diskutieren, auch fürchtete Güngör die Instrumentalisierung der Studie für rechte Politik. Dennoch fand die Talkrunde statt, während der Ausstrahlung kamen noch Johannes Voggenhuber (ehemaliger EU-Parlamentarier Grüne) und Andreas Unterberger (Journalist) dazu. Das Thema wurde Angesichts der zahlreichen protestierenden Stimmen weitesgehend abgeändert: „Darf man Rechtsextreme einladen und mit ihnen auf Sendung diskutieren?“ (Quelle: Youtube-Aufzeichnung) Nun, wir find das zumindest entschieden falsch und halten das Vorgehen von Servus TV für skandalös. Einige Argumente & Stimmen hierzu folgen.

Skandalös an dieser Talkshow war zweierlei: Zum einen wurde mit Martin Sellner die Führungsfigur einer rechtsextremen Gruppierung als begrüßenswerter Diskussionspartner geladen. Das ist für uns inakzeptabel, da es mit Sellner nichts zu diskutieren gibt: Weder seine rassistische Hetze, noch seine autoritären antidemokratischen Positionen, noch die extremen Aktionsformen seiner Gruppierung bis hin zu Gewalt gegen Flüchtlinge. Die von Sellner vertretene Politik ist nicht mehr Teil einer demokratischen Gesellschaft, die dem Schutz von Minderheiten und der Gleichberechtigung verpflichtet ist. Deshalb ist es von einem Medium wie Servus TV falsch, die von Sellner ausgehende Hetze als eine legitime Meinung unter vielen auf dem Podium zu besprechen. Oder will man dem Rassisten teilweise rechtgeben?

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Zum anderen ist es absurd, einen gewaltaffinen Rechtsextremen über Prävention von Radikalisierung sprechen zu lassen. Denn Ziel Sellners und der IBÖ ist es ja gerade, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene rechtsextrem zu radikalisieren. Das wichtigste ihrer Feindbilder sind dabei junge Muslim_innen, denen pauschal religiöser Fanatismus unterstellt wird. Besser hätte man der rechten Hetze also nicht in die Hände spielen können: Die rechtsextreme Führer-Figur darf als scheinbar gemäßigter Diskussionsgast über Muslim_innen herziehen – die für ihn natürlich in jedem Fall eine Plage und Gefahr darstellen.

Einsicht zeigten die Verantwortlichen bei Servus TV keineswegs. Vielmehr inszeniert man sich als umbequem, objektiv und kritisch. Die rassistischen Inhalte Sellners erscheinen Servus TV tatsächlich als diskussionswürdige Inhalte, die reichlich Redezeit verdienten. Selbiges betonte Ferdinand Wegscheider im gleichnamigen Format stellvertretend für den Sender, wobei das Vokabular („Linkslinke“, „linke Meinungsdiktatur“) an FPÖ-nahe Seiten wie unszensuriert.at erinnert (Quelle: Servus TV Mediathek). Die übrigen Gäste auf dem Podium unterstützten diesen Gestus und stilisierten sich selbst als mutige Kämpfer im Ring: Menschen, die Rechtsextremen keine öffentliche Bühne geben wollen, seien schlichtweg „Weicheier“. Der Glücklichste im Bunde bleibt aber Martin Sellner, denn noch nie hat sich eine ganze Talkshow nur mit den Inhalten seiner rechtsextremen Bewegung auseinandergesetzt. Die Aufzeichnung der Sendung erscheint der Identitären Bewegung Österreich als Werbevideo.

Falls sich Servus TV nun eine Woche nach der Sendung fragt, ob es mal wieder einen Rechtsextremen zu irgendeinem Thema braucht, so hat Lisa Mayr eine Antwort darauf (Quelle: derstandard.at):

Einen Rechtsextremen im Fernsehen braucht man eigentlich nur, wenn man die Quote wichtiger findet als das Thema selbst, was bedeutet, dass einem das Thema im Grunde eher wurscht ist.

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Unser Vorgehen bleibt hingegen: Wir reden so kritisch wie möglich über Rechtsextremismus, aber wir reden nicht mit den Rechtsextremisten.