Medialer Umgang

Inhaltlich ist an der „Identitären Bewegung“ wenig neu, auch wenn sie sich selbst als Neue Rechte bezeichnet. Ähnlich sieht es beim Personal aus: Vom ehemaligen Neo-Nazi über gute FPÖ-Kontakte bis hin zum schlagenden Burschenschafter sind die üblichen Verädchtigen mit dabei. Besonders ist allerdings ihre Kommunikationsstrategie! Während neonazistische Kameradschaften und Burschenschaften eine mediale Öffentlichkeit eher vermeiden, wird bei den Aktionen der IB alles gefilmt, ständig getweetet und auch mal live zugeschaltet. Und auch wenn sie sich zunächst etwas störrisch geben: Sie reden überaus gerne mit traditionellen Medienvertreter*innen, wenn sie ihre rassistischen Botschaften auf Sendung verbreiten dürfen.

Damit kommen Journalist*innen, zufällige User*innen und antifaschistische Aktivist*innen oft nicht zurecht. Im ORF dürfen die rechtsextremen „Identitären“ ausgiebig im O-Ton hetzen, es gibt zahlreiche Interviews mit Führungsfiguren in professionellen Tageszeitungen und riesige Twitter-Threads generieren viel Aufmerksamkeit für die „Identitären“. Daraus folgt zumeist eine Verbreitung rassistischer Botschaften, wobei kritischen Stimmen unverhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit zukommt. Zusammengefasst lässt sich das Problem wie folgt beschreiben: Rechtsextreme Aussagen sind keine legitime Meinung, die im öffentlichen Diskurs Platz haben darf. Und dennoch wird eher mit den Rechtsextremen geredet, anstatt kritisch und entzaubernd über die Rechtsextremen zu reden. Dadurch erscheinen RassistInnen als gleichertige GesprächpartnerInnen, was sie definitiv nicht sein dürfen.

In dieser Rubrik werden nun Beiträge gesammelt, die sich kritisch mit der Kommunikationsstrategie der „Identitären Bewegung“ auseinandersetzen – sei es nun online oder bei Aktionen in der Öffentlichkeit. Die Leitfragen lauten: Wie kann dem professionellen Umgang der Rechtsextremen mit den Medien effektiv und kritisch begegnet werden? Welche Strategien nutzen sie? Welche Fehler begehen Akteure, die Kritik an den „Identitären“ äußern wollen?

2016

27-09-2016: Die Nazis von YouTube (neues deutschland)

Eine gelungene Einführung in die Medienstrategie der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, die darauf abzielt, extreme Positionen als harmlos zu verkaufen und maximale Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das sorgt auch für den Aufschwung des gesamten rechtsextremen Spektrums, von Neo-Nazis bis zur AfD.

Medienaufmerksamkeit, haben sie entschieden, ist immer gut. Nach jeder großen Aktion, so erzählte Sellner in Berlin, ernte man neue Interessenten, Kontakte und Spenden.

30-04-2016: Wie wir Identitären die Öffentlichkeit streitig machen können (mosaik)

Die Wissenschaftlerin Kathrin Glösel (Twitter) stellt in ihrem sehr aufschlussreichen Beitrag fest, was vielen Medienhäusern nicht klar oder egal ist: Rechtsextreme vor der Kamera einstudierte Reden halten zu lassen, die eh harmlos wirken, führt nur zur Verharmlosung oft gewaltbereiter AktivistInnen. Zudem gibt sie einige Tipps, wie auch private User*innen mit rechtsextremen Social-Media Postings umgehen können.

28-08-2016: Fotojournalist Michael Bonvalot weißt auf Verantwortung von Medienvertreter_innen hin.

Bild 1: Das ORF produzierte unter dem Format „Am Schauplatz“ ein Feature über die sogenannte Neue Rechte in Deutschland und vor allem Österreich. Dabei wird auch die „Identitäre Bewegung“ in Berlin behandelt und einige rechtsextreme kommen ausführlich im O-Ton zu Wort. Einer der rechtsextremen Aktivisten aus Berlin (Chef-Figur Robert Timm) erkennt – im Gegensatz zum ORF – das Potential dieser Bilder für die eigene Werbung. Wer mit Rechtsextremen redet, anstatt kritisch über sie zu reden, reproduziert nur ihre Bider.

Bilder 2: Bei einer Kundgebung der „Identitären Bewegung“ in Wien waren nur ca. 50 Rechtsextreme anwesend. Dennoch erschienen im Anschluss Bilder, die den Eindruck eines großen Aufmarsches erahnen lassen. Grund: Es wurde nur dann abgedrückt, als sich die AktivistInnen fotogen aufgestellt hatten. Dadurch verzerrte die Bildsprache die kümmerliche Ansammlung zu etwas Eindrucksvollem.

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