Kommentar: Warum die „Neuen Rechten“ im ORF eigentlich RassistInnen sind.

Die Führungsfiguren der neofaschistischen „Identitären Bewegung“ (IB) haben im öffentlich-rechtlichen Sender ORF immer wieder Auftritte. Jüngst durfte der Wortführer Martin Sellner bei Am Schauplatz ausführlich von seinen „identitären“ Projekten berichten, während seine bekannteste weibliche Kameradin Alina Wychera bei DOK.eins zu ihrem „identitären“ Heimatbegriff befragt wurde. Eine Verherrlichung der rechtsextremen AktivistInnen soll dabei eher nicht stattfinden. Vielmehr herrscht eine gewisse Faszination gegenüber der selbsternannten „Neuen Rechten“, die sich gerade in einer Aufwärtsspirale der medialen Aufmerksamkeit befindet. Insbesondere bei der politischen Einschätzung der Selbstbeschreibung „Neue Rechte“ und „neu-rechter“ Akteur_innen herrscht offensichtlich eine gewisse Ratlosigkeit, der man mit den eigenen Formaten entgegenwirken will. Allerdings scheitert dieses Vorhaben, weil das rassistische und rechtsextreme Denken der „Identitären“ dabei nie ganz klar wird. Dieser Text soll nun die Sendungen des ORF klarstellen und aufzeigen, wieso die „Identitäre Bewegung“ rassistisch ist.

Das Problem im medialen Umgang mit den „Identitären“ ist schnell beschrieben: Die AktivistInnen sind vorbereitet und nehmen die medienwirksamen Gesprächsangebote gerne an, um auswendig gelernte Banalitäten herunterzubeten. Sie präsentieren sich von ihrer Schokoladenseite. Und dennoch: Insbesondere bei Fragen zum wichtigsten „identitären“ Anliegen, der Heimat, wirken die Antworten ausweichend und wirr. Leider wird dieses Schuldig-Bleiben aber eher zu Gunsten der „Identitären“ ausgelegt: Es seien eben nur ein paar rebellierende Spießer, die man nicht ernst nehmen müsse. Sie seien insgesamt harmlos, auch wenn sie auf Demos hetzerische Parolen brüllen. Hinter dem Gestammel bezüglich der Heimat steht aber eine gefährliche rassistische Ideologie, die nur deswegen nicht gerade herauskommt, weil das viele Schaulustige und potentielle Unterstützer_innen verschrecken würde.

In den Fernsehauftritten einzelner „Identitärer“ wird offensichtlich, dass es für sie unmöglich ist, klare Kriterien für eine „ethno-kulturelle“ Zugehörigkeit – wie es Wychera nannte – zu formulieren. Selbst wenn diese existieren würden, bedeutet dies nicht, dass diese Kategorien dann richtig und unproblematisch wären. Allerdings enttarnt die Ermangelung irgendwelcher Kriterien das Pochen der Identitären auf die Herkunft als rassistische Willkür, für die aber scheinbar niemand der Aktivist_innen die Verantwortung übernehmen will. Es ist geradezu paradox: Die „Identitären“ wollen Bescheid darüber wissen, wo tausende Flüchtlinge beheimatet sind, machen aber bei jeder direkten Konfrontation vor der Kamera einen Rückzieher. So sagt weder Sellner bei Am Schauplatz zu den souveränen Flüchtlingen aus Syrien, dass sie sich verpissen sollen; noch Wychera zum Journalist Hanno Settele, dass er dorthin zurückkehren soll, wo sein Pass ausgestellt wurde (Deutschland). Immer heißt es: Du bist eh hier daham, aber es gibt andere, die sind nur Parasiten.

Nun, es ist weit weniger paradox, als es sich anhört: Vor der Kamera und gerade im Kontrast zu dem hetzerischen Gebrülle auf „identitären“ Demos wollen die AktivistInnen möglichst zahm und herzig erscheinen. Sie würden es nicht böse meinen. Dass sie es aber durchaus böse meinen, wäre umso klarer, wenn sie eindeutige Maßstäbe für die Herkunft festsetzen würden. Dass diese so sympathisch wirkenden Männer zum Krieg nach Syrien zurückkehren sollen oder der Mitarbeiter des ORF seinen Lebensentwurf aufgeben muss, klingt brutal – und ist es auch. Deshalb wird sich weder auf Staatszugehörigkeit, „Recht des Blutes“ oder Scholle berufen. Die Kenntnis von Tradition und Brauchtum (whatever that means) scheint nicht ausreichend zu sein, auch nicht die Sprachbeherrschung. Wieder muss betont werden, dass das Berufen auf die genannten Aspekte nicht unbedingt besser wäre, weil daraus bereits eine rassistische und/oder nationalistische Argumentation folgen kann. Aber zumindest gäbe es Kategorien, *gegen* die man argumentieren kann. Bei den „Identitären“ erscheint „ethno-kulturelle Zugehörigkeit“ aber dermaßen metaphysisch, dass man leicht vergisst, welches Ausschlussverfahren dahinter steht: Das rassistischte überhaupt.

Ausländaz, Volksverräter und Parasiten sind für die „Identitären“ all diejenigen, welche ihnen fremd erscheinen und keine potentiellen Verbündeten sind. Anhand von seit jeher rassistischen Kategorien teilen sie ihre Feinde in verschiedene Gruppen ein, wobei sie diese Konstrukte dann Ethnien/Völker/Kulturen nennen. Entscheidend ist hierbei eben die willkürliche Fremdbezeichnung, Kollektivierung und Diskriminierung von Menschen. Daraus folgt die Konstruktion von Ethnien und Kulturkreisen, die als rein und gleichförmig gedacht werden. Scheinbar entschärft wird diese allzu bekannte Denkbewegung lediglich durch das komplett hinfällige Zugeständnis, dass die Ethnien machen dürfen, was sie wollen – solange sie es in „Afrika“ oder „dort wo sie herkommen“ (whatever that means) machen.

Hier zeigt sich der völkische Ethnopluralismus der „Identitären Bewegung“. Anders als beim klassischen Rassismus wird „das Fremde“ nicht immer als minderwertig angesehen, sondern manchmal als “Vielfalt der Kulturen“ gepriesen (z.B. „das stolze ungarische Volk“). Das gilt aber nur solange „die Fremden“ eben dort bleiben, wo sie ihren angestammten Platz haben und nicht „unser österreichisches Volk“ unterwandern. Wer in solchen Formulierungen kein rassistisches und tödliches Anliegen vermutet, der sei daran erinnert, dass Flüchtlinge vor Krieg, Armut und Gewalt fliehen. Offensichtlich hatten Refugees keine Möglichkeit, sich an ihrem früheren Wohnort zu verwirklichen.

Zu keinem Zeitpunkt also agieren die NeofaschistInnen mit Kategorien, auf die man sie auch nur irgendwie einlassen sollte. Es ist kontraproduktiv und schädlich, sich auf scheinbar rationale Kriterien der Heimat zu berufen und einzufordern, dass sie diese doch akzeptieren oder ablehnen müssen. Denn weder einen deutschen Pass, noch die Aufenthaltsgenehmigung, noch den Spracherwerb werden sie für sich genommen als relevant erachten. Vielmehr wird es ein metaphysisches Empfinden und krudes Gefasel sein, das sie versichern lässt: Dich finden wir eh okay, aber die zwei Jugendlichen beim Tratschen auf der Parkbank dort drüben, das sind Parasiten.